Yvonne Rogosch,
Fachanwältin für Miet und
Wohnungseigentumsrecht.
Kanzlei Buhl Rogosch Buckentin
Modernisierungsmieterhöhung und Härtefallabwägung (Wohnungsgröße eines Hartz-IV-Empfängers)
BGH, Urteil vom 9. Oktober 2019 – VIII ZR 21/19
Mieter dürfen sich gegenüber einer Modernisierungsmieterhöhung auf das Vorliegen einer unzumutbaren Härte berufen (§ 559 Abs. 4 Satz 1 BGB). Der BGH musste sich mit der Frage beschäftigen, wie die Wohnungsgröße zu berücksichtigen ist, wenn der Mieter Hartz-IV-Empfänger ist und sich auf eine finanzielle Härte beruft. Im konkreten Fall bewohnte der Mieter eine 86 m2 große Wohnung in Berlin seit 55 Jahren – zunächst mit seinen Eltern – dann alleine. Die Kaltmiete betrug ca. € 570 nebst Heizkostenvorschuss von € 90. Die Vermieterin ließ Dämmungsarbeiten an einer Geschossdecke und der Außenfassade durchführen, vergrößerte die Balkone und nahm einen stillgelegten Fahrstuhl wieder in Betrieb. Für diese Modernisierungsmaßnahmen verlangte die Vermieterin eine Mieterhöhung von € 240. Der Mieter klagte auf Feststellung, dass er diese nicht zu zahlen habe. Die Vermieterin argumentierte gegen den Einwand der Härte damit, dass nach den staatlichen Transferleistungen für einen Einpersonenhaushalt lediglich 50 m2 als angemessen gelten. Amts- und Landgericht haben unterschiedlich – jeweils aber zugunsten des Mieters – entschieden. Der BGH hatte abzuwägen, ob die „zu große“ Wohnung gegen die Einwendung eines Härtefalls spricht. Letztlich reichte diese Tatsache allein nicht aus, um die Verwurzelung des Mieters am Wohnort und seine gesundheitliche Verfassung aufzuwiegen. Da das Landgericht unzureichende Feststellungen zu zwei Modernisierungsmaßnahmen und damit auch zum eventuellen Vorliegen der Ausnahmefälle (§ 559 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 und 2 BGB) getroffen hatte, wurde das Verfahren zurückverwiesen. Wenn der Vermieter zur Modernisierung etwa durch behördliche Anordnung gezwungen war und er das Haus in einen „allgemeinen Zustand“ versetzt hat, wären Härtegründe nicht zu prüfen. In diesem Fall wäre die Modernisierung für den Vermieter unausweichlich. Noch ist daher nicht entschieden, ob der Mieter seiner Mieterhöhung entgeht.
Wohnfläche und Balkon – welche Berechnungsgrundlage gilt?
BGH, Urteil vom 17. April 2019 – VIII ZR 33/18
Im Verfahren forderte die Vermieterin Zustimmung zur Mieterhöhung, während ihr Mieter aufgrund einer von ihm ermittelten Flächenabweichung um mehr als 10 % eine Mietrückzahlung verlangte. Differenzen dieses Umfangs berechtigen Mieter zur Minderung. Fraglich war, welche Wohnfläche der Berechnung der Miethöhe zugrunde zu legen war – insbesondere die Anrechnung der Balkonfläche (25 % oder 50 %) betreffend. Bis Ende 2003 galt die II. Berechnungsverordnung, nach der Balkonflächen zur Hälfte anzurechnen waren. Die seit dem 01.01.2004 geltende Wohnflächenverordnung (WoFIV), die unmittelbar nur im sozialen Wohnungsbau gilt, legt dagegen fest, dass Balkongrundflächen grundsätzlich zu einem Viertel und maximal zur Hälfte anzusetzen sind. Im vorliegenden Fall wurde im 2007 geschlossenen Mietvertrag die Wohnfläche mit ca. 94,48 m2 angegeben. Ein Sachverständiger ermittelte dagegen eine Wohnfläche von lediglich 84,01 m2 und berücksichtigte dabei den Balkon gemäß der Wohnflächenverordnung mit 25 % der Grundfläche. Die Vermieterin forderte eine fünfzigprozentige Berücksichtigung des Balkons, so dass keine Abweichung vorläge, die eine Mietrückzahlung legitimieren würde. Der BGH folgte aber dem Sachverständigen und bestätigte erneut, dass der Begriff der „Wohnfläche“ im Wohnraummietrecht auch bei freifinanziertem Wohnraum grundsätzlich anhand der für den preisgebundenen Wohnraum geltenden Bestimmungen auszulegen und vorliegend aufgrund der zum Zeitpunkt des Mietvertragsschlusses geltenden Wohnflächenverordnung (WoFlV) zu ermitteln sei. Etwas anderes könne gelten, wenn die Mietvertragsparteien dem Begriff der Wohnfläche im Einzelfall eine abweichende Bedeutung beimessen würden, oder ein anderer Berechnungsmodus örtlich üblich oder
nach der Art der Wohnung naheliegender sei. Besonderheiten konnten vorliegend nicht festgestellt werden, so dass es im Ergebnis bei der Berechnung des Balkons gemäß der WoFIV blieb.